Nachdem ich mich sehr sehr sehr über euer süßes Feedback gefreut habe, muss ich nun natürlich dranbleiben und weiterhin Bericht erstatten. Ich setze mich also auf meinen Balkon, muss nach kurzem Austesten feststellen, nope, der Holzstuhl hält mich nun nach all dem Regen nicht mehr und bricht eher zusammen. Ich nehme mir einen neuen Stuhl, einen heilen gibt es noch, und klappe meinen Laptop auf. Etwas peinlich berührt von der Stuhlaktion schaue ich mich um, ob irgendwelche Nachbar*innen mich beobachtet haben, und stelle fest, dass mir ein paar Häuser weiter jemand von der Dachterasse aus zuwinkt. Während ich hier schreibe, zerreißt jemand auf der gegenüberliegenden Seite seinen Sonnenschutz für den Balkon, welcher anscheinend unter dem starken Wind der letzten Tage etwas gelitten hat. Naja, mittlerweile überrascht mich hier nichts mehr.
Da Gabriel (der übrigens vierzig ist) anscheinend für Eindruck gesorgt hat, beginne ich mit ihm. Ich bin selbst ganz erstaunt, aber die Dynamik in der WG hat sich wirklich verändert. Vor ein paar Tagen bin ich zu meinem griechischen Roomie gegangen und erzählte ihm, dass Gabriel sich nun sehr geöffnet hätte. Letztes Wochenende lud er mich zu seinem Ausflug ein und fragte mich am Samstag, was ich so vorhabe. Er selbst verfolgte den Plan, sich eine Aloe Vera anzuschaffen und fragte mich, ob ich ihn begleiten wolle. Ich musste jedoch verneinen, da ich selbst verabredet war. Ich bekam aber ein Foto als Beweis, dass er sich eine organisiert hatte. Bravo! Nachdem er am nächsten Tag weitere Fotos, diesmal in die WG Gruppe schickte, meinte ich, wir sollten auch mal etwas planen. Er schlug direkt einen Tagestrip vor, aber vielleicht tasten wir uns erstmal an ein gemeinsames Essen hier in Athen ran. Eine weitere Überraschung folgte aber ein paar Tage später, nachdem ein frisch eingezogener Niederländer an jeder Haustür klingelte und sich vorstellte. Er fragte, ob wir damit einverstanden wären, wenn er eine WhatsApp Gruppe erstellen würde. Da mein griechischer Mitbewohner und ich die Tür öffneten, stimmten wir zu und ich blieb im Kopf nur etwas verwirrt zurück, da der hochmotivierte Niederländer versuchte, in drei verschiedenen Sprachen mit uns zu kommunizieren. Ich bin meist sehr verwirrt, auf welcher ich jetzt antworten soll und genau das tut mir mein Vermieter auch immer an. Der erzählte mir letztens, dass wenn er jetzt eine Klassenarbeit in Deutsch schreiben würde, er sicher 90/100 Prozent in Grammatik richtig hätte. Vokabeln eher 10. Das merke ich an dem Tempo, in welchem er mit mir redet. Es ist immer wieder aufs neue ein kleines Abenteuer mit ihm zu kommunizieren.
Der Grund warum ich Gabriel aber nicht auf seiner Aloe Vera Suche begleiten konnte war, dass mich ein paar Mädels zum Brunch eingeladen hatten. Wir waren eine bunte Truppe bestehend aus sechs Mädels in ihren 20ern, kommend aus fünf verschiedenen Ländern; Schweden, 2xZypern, USA, Griechenland und ich als Deutsche. Es war ein ganz lustiges Aufeinandertreffen mit dem Hintergedanken bald einen gemeinsamen Tagesausflug nach Delphi zu machen.
Nun ist Sonntag und natürlich muss es wenigstens an einem Tag in der Woche an den Strand gehen. Diesmal ohne das Kennenlernen neuer Menschen, aber dafür mit einem zwar insgesamt nicht ganz so schönem Strand, aber einer grandiosen Aussicht vom Wasser aus auf die Stadt. Und auch wenn ich mir Mühe gebe, etwas Farbe zu gewinnen, ist meine Sonnencreme anscheinend so gut, dass ich gefühlt genauso blass bin wie im Winter. Aber hey, dafür gibt es später keine Falten!
Und da Wochenenden fürs Socialising da sind, nehme ich am Abend eine weitere Verabredung wahr. Ich treffe meine bereits erwähnte Nachbarin, die über mir wohnt. Sie war letztes Jahr, im gleichen Zeitraum wie ich jetzt, für ein Praktikum in Athen. Nun ist sie nochmal im September dieses Jahr da, um Urlaub zu machen. Es ist sehr perfekt, denn sie kann mir tolle Einblicke gewähren, da sie sogar Halbgriechin ist. Durch sie, schaue ich mir die oberste Wohnung unseres Hauses an und stelle fest, wie schön die Dachterasse ist. Dort werde ich noch öfter vorbeischauen.
Und nachdem die soziale Batterie fast alle ist (Spaß, das geht bei mir nicht so schnell), geht es am Montag wieder zur Arbeit. Ich treffe endlich wieder auf Amalia, die bald mit ihrem Praktikum fertig ist, aber sich glücklicherweise entschieden hat, weiterhin in Athen zu wohnen. Sie erzählt mir ein wenig mehr über sich und kann mir gleichzeitig einen etwas tieferen Einblick ins Unternehmen geben. Bisher unerwähnt blieb, dass sie mich bei unserem ersten Aufeinandertreffen gefragt hatte, woher ich komme und wann ich in Athen angekommen sei. Wir stellen also fest, dass ihre neue deutsche Mitbewohnerin und ich mit dem gleichen Flugzeug aus Hamburg angekommen waren. Natürlich. Zudem reden wir darüber , dass wir beide mit einem Abstand von einem Jahr Au Pairs in Südwest London waren.
Am Dienstag begebe ich mich alleine ins Büro. Die Managerin des Gemeinschaftsbüros hatte mich nämlich zu ihrer Vorstellungsrunde mit ihren neuen Freiwilligen eingeladen. Mit ihr verstehe ich mich übrigens wirklich gut, aber gleichzeitig benötigt es auch einfach etwas Vorwissen, wie man mit ihr umgehen muss. Sie hatte mich am Tag zuvor wieder einmal darauf aufmerksam gemacht, dass ich doch bitte meine Wurzeln erkunden solle. Dass ich Deutsche bin, scheint ihr noch immer ein Rätsel zu sein. Also treffe ich auf ganz viele französische, spanische und italienische Freiwillige, die alle für 6 oder 12 Monate bleiben. Sie sind alle sehr süß und ich werde sogar ihn ihre WhatsApp Gruppe hinzugefügt. Yay.
Die kommenden Tage verbringe ich mich verschiedenen Verabredungen, die entweder in Athen vor Ort sind oder aus Telefon-Dates bestehen. Die Tage bekommen mehr und mehr eine Routine und dennoch lerne ich weiterhin viele Menschen kennen. Ein Stockwerk über uns treffen meine Nachbarin – ihr Name ist übrigens Eva – und ich uns auf einen Wein am Abend. Die Aussicht ist wirklich sehr schön, nur windig wird es abends. Ansonsten kann ich aber bisher, egal wann, problemlos und ohne jegliche Jacke, das Haus verlassen. Am Freitag bin ich unterwegs und habe die gesamte Nacht über nicht einmal gefroren. Endgegner sind viel eher die Klimaanlagen. Ich hab schon wieder Halsschmerzen. Bitte bitte nicht nochmal krank werden.
An diesem Freitagabend passiert sehr viel. Wir starten bei einer Hostel Rooftop Bar, wo viele offene Menschen aufeinander treffen und lernen so einige Menschen kennen, die mit uns weiterziehen. Wir landen u.a. in einer Karaoke Bar, die mich sehr an den Irish Pub in Lüneburg erinnert. Da es nachts sehr spät wird, geht es mit viel zu wenig Schlaf am nächsten Tag an den Strand. Caro (sie ist Österreicherin und hat am Tag zuvor ebenfalls bei Roes als Praktikantin angefangen) und ich müssen, ein paar Busstationen vor unserem eigentlichen Ziel, der Hitze und stickigen Luft des Busses entfliehen und retten uns an den nächstmöglichen Strand.
Das Wetter ist hier noch immer wunderschön und teilweise sogar etwas zu heiß, aber ich will mich gar nicht beschweren. Ganz überrascht war ich letztens, als ich mit Marie einen Video Call starte, selbst dabei nur ein Top trage und ich sie, auf der anderen Seite des Bildschirms, in zwei Schichten an Kleidung, in ihrer Wohnung in Bergen/Norwegen vorfinde. You’re doing great!
An diesem Wochenende versuche ich irgendwie alles auf einmal zu machen. Wie sich im Nachhinein rausstellt, für mein Immunsystem nicht die allerbeste Idee. Doch bevor ich das zu retten versuche und dabei fast 50€ in der Apotheke lasse und nun brav irgendwelche Supplements, antivirales Arzneimittel und Propolis-Tropfen schlucke, geht es am Sonntag auf einen Ausflug. Eventuell frage ich mich während des Trips ab und zu, wie ich hier eigentlich gelandet bin. Das ganze war nämlich definitiv nicht meine Idee, sondern die einer Griechin, die ich während des vorherigen Wochenendes kennengelernt hatte. Zu diesem Zeitpunkt war ich noch dankbar für jeden Kontakt und jegliche Unternehmungen. Man beachte bitte, die ganzen Erasmus Events starten erst ab Oktober in Griechenland, was erst einen ganzen Monat nach meiner Anreise ist. Dieser Trip, organisiert von einer griechischen Reiseagentur, steht jedoch von Beginn an unter interessanten Sternen. Als ich anrufe, um meine Reservierung zu bestätigen und nachzufragen, ob mein Geld angekommen sei, kommt es zu den ersten Schwierigkeiten. Einen Sitzplatz kann ich außerdem nicht in der Nähe meiner Begleitungen buchen. Als ich in den Bus steigen will und dafür meinen Nachnamen sagen muss, kann die griechische Reiseführerin mich nicht finden. Ich schaue auf ihre Liste und stelle fest, alle Namen stehen in griechischen Buchstaben dort. Wow. Ein Glück, ich habe ein wenig mein Griechisch mit Duolingo (kann ich aber ansonsten für Griechisch nicht empfehlen. Falls man lieber einen Kaffee bestellen will, anstatt zu sagen “Nikos geht auf den pinken Mini Markt” – was heißt das überhaupt?) geübt und kann mich doch noch finden. Ein Glück. Also suche ich meinen Platz neben Lia – einer Mitte 50 jährigen Griechin. Sie stellt ein gutes Beispiel dar, wer diesen Trip ansonsten mitmacht. Ich stelle mich kurz vor, doch viel können wir aufgrund der Sprachbarriere nicht kommunizieren. Aber ich bekomme mit, wie sie im Verlauf der Tour beginnt, ihr Englisch mit Duolingo zu üben. Sehr süß. Nach einer langen Fahrt erreichen wir das erste Ziel, Delphi! Zusammenfassend kann ich zu dem Ort sagen, alt, hoch, bergig und heiß. Aber irgendwie auch etwas mystisch. Dem Mythos nach, entsandt Zeus an zwei Enden der Welt Adler, welche die Welt umflogen und in Delphi wieder aufeinandertrafen. Daher galt die Stadt in der Antike als Zentrum der Welt und ist zudem sehr bekannt für das wichtigste Orakel der Antike – das Orakel von Delphi. Nach diesem ersten Stopp, machen wir noch halt in zwei sehr kleinen, aber süßen griechischen Dörfern. Die Amerikanerin, mit welcher ich auch unterwegs bin und ich, versuchen immer sehr darauf bedacht zu sein, wieder pünktlich am Bus zu sein. Die gesamte Reisegruppe übrigens auch, was ich für Griech*innen sehr erstaunlich finde. Der Rest der Gruppe lässt sich jedoch hier und da mal mehr Zeit, was mir deutlich unangenehm ist. Aber gut, wir schaffen es alle nach unserem 14h Trip, wieder heil in Athen anzukommen.
Die kommende Woche gestaltet sich interessant. Am Montagabend bin ich mit den bereits erwähnten Volunteers verabredet. Doch dass Pünktlichkeit in Spanien nochmal eine ganz andere Bedeutung hat, blende ich zuerst aus und will mich auf den Weg zu unserer Verabredung machen. Doch in dem Moment, in welchem ich aus der Wohnungstür gehe, bekomme ich die Nachricht, dass wir um eine halbe Stunde verschieben. Bis wirklich alle eintreffen ist es 1,5h später. Aber wir haben einen lustigen Abend. Ich habe mich nur etwas geärgert, das ich mich zuvor geduscht hatte, denn tatsächlich rauchen alle um mich herum und als ich nach Hause gehe, habe ich das Gefühl der Rauch klebt an mir. Sehr einprägsam ist aber der Moment, als ich mich mit einem Spanier unterhalte und er mir erzählt, dass er zwar mit seinem Lehramtsstudium fertig ist, welches er gewählt hat und wenigstens eine halbwegs abgesicherte Zukunft zu haben, viele von den Volunteers jetzt aber da sind, weil es auch einfach keine Arbeit im Heimatsland gibt. Das macht mich sehr traurig und generell stelle ich immer wieder fest, wie privilegiert Deutschland tatsächlich ist.
Im Büro sind Caro, Amalia und ich bereits ein eingespieltes Team und ich genieße es mit den beiden zu co-worken. Bevor Eva, meine Nachbarin, und ich am Mittwochabend bei griechischer Livemusik Essen gehen, treffe ich mich mit den beiden in einem Café, um mal aus dem Büro rauszukommen. Unfreiwillig bleibe ich aber auch am Donnerstag im home office. Der Public Transport streikt. Es fährt gar keine Metro und die Busse von 9-9. Aber ich hab es versucht, an diesem Tag fuhren aber nur irgendwelche Busse zu irgendwelchen Zeiten. Noch viel schlimmer als sonst. Sehr verrückt ist aber, welche Bedingungen hier versucht werden abgewandt zu werden. Bei Interesse unbedingt mal recherchieren.
Am Freitag machen Eva und ich uns für einen Tagestrip nach Aegina auf den Weg. Gemütlich starten wir den Tag und sind nach einer ca. 1,5h Fährfahrt auf der Insel. Und weil es ein Trip mit mir ist, stellen wir mal wieder interessante Situationen fest. Immer wieder laufen uns ein sportliches Pärchen über den Weg und am Ende landen wir mit ihnen auf der Fähre, die uns nach Hause bringt. Doch bevor wir diese betreten, treffen wir noch zufällig auf Evas Mitbewohner und somit meinen Nachbarn, der ebenfalls einen Tagestrip nach Aegina unternommen hat. Beide hatten zuvor nicht darüber gesprochen. Als wir auf dem Schiff sind und eigentlich viel zu erschöpft, um noch zu reden, lernen wir einen Ägypter kennen, welcher seinen Master vor Kurzem beendet hat und nun nach Deutschland gezogen ist, um sein Ph. D. zu machen. Nach einiger Zeit bekommen wir aus ihm raus, dass sein Master tatsächlich ein Erasmus Mundus Master ist. Es ist so interessant, seitdem ich einmal von dem Programm gehört habe, verfolgt es mich und ich lerne immer mehr Menschen kennen, die einen geförderten Mundus Master gemacht haben oder dabei sind.
Die nächsten zwei Tage verbringe ich überwiegend allein, aber ganz entspannt. Manche Pläne werden umgesetzt und andere nicht. Sehr erfreut bin ich darüber, dass ich mittlerweile echt coole Essensorte kenne, die alle sehr lecker sind und teilweise sogar vegan. Den Samstagabend lasse ich auf Evas Terasse ausklingen und lerne ihren neusten Mitbewohner, der in Tübingen Medizin studiert, kennen. Durch ihn erfahre ich, dass das Mensaessen für alle Studis in der Mensa tatsächlich kostenlos ist! Dreimal am Tag. Ist das nicht verrückt?
Jetzt bin ich doch ein wenig neidisch.
Ich bin übrigens mittlerweile seit fast vier Wochen in Griechenland und wenn ihr wissen wollt, was man Key Learnings sind, dann lest diesen Beitrag.
Eure Vivi